23.04.2013

Toleranzkuchen


"Vielleicht werdet ihr ja der neue Friedrichhain", sagt Jonas und ich lache. Ich lache laut auf, als gäbe es keinen abwegigeren Gedanken und ein bisschen, als hinge mein Leben davon ab. Aber sie durchschauen mich. Ihre Designerblicke erkennen das schwitzige Glitzern auf meiner Stirn, den angsterfüllten Ausdruck in meinen Augen. Und ich habe Angst. Panische Angst! Um den Typen, der einem immer Gras andrehen will, während er in unseren Hausflur pinkelt; um meinen Hauswart, der nur grüßt, wenn er morgens besoffen aus dem "See-Tank" stolpert; um den Libanesen von gegenüber, bei dem ich mich nicht traue einzukaufen; meine Nachbarn, die jeden Klingelton als Maxi-Single haben und um "Fränkels Fleischimbiss" in der Müllerhalle, bei dem man zu jeder Bulette einen Stamm Colibakterien gratis dazubekommt. Ich habe Angst, dass die Kinder in meinem Hof nicht mehr mit Schnee, Scheiße und Müll nach einem werfen, sondern kleine Arierkinder mich im Vorübergehen um etwas Mehl und Zucker bitten, weil sie im neuen Kinderladen um die Ecke einen Toleranzkuchen backen möchten. Ich habe Angst, dass im Töpferladen in meiner Straße ein Zentrum für multikulturelle Verständigung aufmacht und Tante Elli ihre Kneipe in Ella umbenennt und nur noch ayurvedische Küche aus der südlichen Bretagne anbietet, dass im alten Möbelladen an der Ecke ein Deli aufmacht, ich im Kiosk gegenüber nur noch Neon, Spex und Bionade bekomme.

Hauptsache nichts mit Menschen - Paul Bokowski

Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen