26.07.2012

Elisabeth mußte lächeln

Auch sein gegenwärtiges Interesse an einer anderen Frau konnte ihn nicht vergessen lassen, daß Elisabeth die erste gewesen war, die seine Aufmerksamkeit erregt und auch verdient hatte, die als erste ihn angehört und bedauert hatte, die erste, die er verehrt hatte; und in der Art, wie er ihr Lebewohl sagte, wie er ihr viel Vergnügen wünschte und sie daran erinnerte, was sie von Lady Catherine de Bourgh zu gewärtigen hatte, und wie er der Überzeugung Ausdruck gab, sie würden in ihrer Meinung über diese Dame, ja in ihrer Meinung über jedemann, stets übereinstimmen - in allem lag so viel Bersorgtheit, so viel Anteilnahme, daß sie sich ihm schon dadurch stets innerlich verbunden fühlen mußte; und sie schied von ihm in der Überzeugung, daß er, ganz gleich ob verheiratet oder ledig, ihr stets als Ideal alles dessen erscheinen mußte, was sie für liebenswert und erfreulich hielt.
Ihre Mitreisenden am nächsten Tag waren nicht dazu angetan, sein Bild irgendwie zu verdunkeln. Sir William und seine Tochter Maria, ein gutmütiges Geschöpf, das genauso hohlköpfig war wie er selbst, hatten nichts zu sagen, was anhörenswert sein konnte und Elisabeth ließ ihr Gespräch mit ungefähr dem gleichen Vergnügen über sich ergehen wie das Rattern des Wagens.

"Sprich mit Lissy selbst darüber. Sag ihr, du bestehst darauf, daß sie ihn heiratet."
Frau Bennet läutete die Glocke, und Fräulein Elisabeth wurde in die Biblbiothek gerufen.
"Komm her, mein Kind", rief der Vater, als sie erschien. "Ich habe dich wegen einer wichtigen Angelegenheit holen lassen. Soviel ich weiß, hat Herr Collins dir einen Heiratsantrag gemacht. Ist das wahr?" Elisabeth bestätigte es. "Na schön- und diesen Heiratsantrag hast du abgelehnt?"
"Ja, Vater."
"Na schön. Da kommen wir also jetzt zur Sache. Deine Mutter besteht darauf, daß du ihn annimmst. Nicht wahr, Frau Bennet?"
"Ja, oder sie soll mir nicht vor die Augen kommen!"
"Da stehst du vor einem unglückseligen Zwiespalt, Elisabeth. Vom heutigen Tage an mußt du von einem Elternteil als Fremdling betrachtet werden. Deine Mutter will dich nicht mehr sehen, wenn du Herr Collins nicht heiratest, und ich will dich nicht mehr sehen, wenn du ihn heiratest."
Elisabeth mußte lächeln, daß die Angelegenheit nach einem solchen Anfang einen solchen Ausgang nahm; doch Frau Bennet, die sich eingebildet hatte, Herr Bennet sähe die Sache in ihrem Sinne an, war schwer enttäuscht.
"Was soll das heißen, Bennet, so daherzureden? Du hast mir doch versprochen, darauf zu dringen, daß sie ihn heiratet."
"Meine Teure", erwiderte ihr Gatte, "ich muß um zwei kleine Gefälligkeiten bitten: Erstens, daß du mir erlaubst, in der gegenwärtigen Angelegenheit freien Gebrauch von meinem Verstande zu machen; und zweitens, freien Gebrauch von meiner Biblbiothek zu machen. Ich würde mich freuen, wenn ich mein Arbeitszimmer sobald als möglich wieder für mich haben könnte."

Stolz und Vorurteil - Jane Austen