31.08.2014

ein anderes Gefühl von Liebe


Es genügte mir nicht, einfach zu lieben, nachdem ich den Rausch unseres ersten Glücks ausgekostet hatte. Mich verlange nach Aufregungen, nach Gefahren, nach Gelegenheiten, mich für meine Liebe aufzuopfern. Ich litt an einem Überschuß an Kraft, die ich in unserem stillen Leben nirgends anwenden konnte. Ich wurde von Schwermutsanwandlungen befallen, die ich wie etwas Schlechtes vor ihm zu verbergen trachtete und dann wieder von Ausbrüchen übertriebener Zärtlichkeit und Fröhlichkeit, die ihn erschreckten. 
Mein Geist und auch mein Herz waren beschäftigt, aber daneben gab es noch ein anderes Gefühl - das Bedürfnis der Jugend nach Bewegung, das in unserem stillen Leben keine Befriedigung fand. Warum nur hatte er zu mir gesagt, wir könnten jederzeit in die Stadt übersiedeln, sobald ich es wünschte?


"Wie jung du noch bist und wie alt ich doch bin", sagte er mit einem ruhigen, milden und wie, wie mir schien, fast greisenhaft verklärten Lächeln. "Was du in mir suchst, kann ich dir nicht mehr geben - warum sollte man sich selbst täuschen?", fügte er, immer noch lächelnd, hinzu. 
Ich stand schweigend neben ihm und fühlte, wie mein Herz ruhiger wurde.
"Wir wollen uns nicht bemühen, abgelaufenes Leben zu wiederholen", fuhr er fort, "wir wollen uns nichts vormachen. Und dass es mit den früheren Sorgen und Aufregungen vorbei ist, dafür können wir nur dankbar sein. Wir brauchen nichts mehr zu suchen, uns nicht mehr aufzuregen. Wir haben es bereits gefunden und können mit dem Maß von Glück zufrieden sein, das uns zuteil geworden ist. Jetzt müssen wir uns allmählich bescheiden und dem da den Weg frei machen. Er zeigte auf die Amme, die mit Wanja aus dem Zimmer gekommen und an der Tür stehengeblieben war. "So ist es, mein Herz.", schloss er und zog meinen Kopf zu sich heran, um mich zu küssen. Es war nicht der Geliebte, sondern ein alter Freund, der mich küsste."
Aus dem Garten drang immer stärker und bedrückender der Duft der nächtlichen Frische herüber; alle Laute und die Stille muteten immer feierlicher an und immer zahlreicher flammten am Himmel die Sterne auf. Ich sah meinen Mann an und mir wurde plötzlich leicht ums Herz; es war, als sei ich von einem schmerzhaften Nerv befreit worden, der mich so lange gemartert hatte. Mit einemmal erkannte ich in aller Ruhe und Klarheit, dass das Gefühl jener Zeit ebenso unwiederbringlich vergangen war wie die Zeit selbst und dass ein Wiederwachrufen dieses Gefühl nicht nur unmöglich sei, sondern auch bedrückend und lästig wäre. Und war jene Zeit wirklich so schön gewesen, wie ich sie in Erinnerung hatte? Das alles lag ja schon weit, so endlos weit zurück...
Mit diesem Tag endete die Liebesgeschichte zwischen mir und meinem Mann. Das frühere, unwiederbringliche Gefühl war zu einer teuren Erinnerung geworden und ein anderes von der Liebe zu den Kindern und dem Vater meiner Kinder bestimmtes Gefühl legte den Grund zu einem neuen, freilich ganz andesgearteten Lebensglück, das auch heute noch andauert...

"Die Kreutzersonate" - Lew Tolstoi

08.08.2014

Gejagter

Verliebt in eine Frau, bis sie mir entfiel.
Geliebt die Welt, fliegen zu lernen das Ziel.
Zu lieben gelernt mich selbst, eine Brise kam ins Spiel.
Erlöst durch das Wetter

Langsam laufe ich durch den Raum, aufmerksam und bereit.
Der Wettkampf interessiert mich kaum, besonders befreit.
Jene Gesichter nur ein Traum, es gibt keine Zeit.
Riechst du das Wetter

Der Sommerurlaub zieht vorbei, alles ist Leben.
Das zehnte Weihnachten nebenbei, die Gegenwart erleben.
Endlose Möglichkeiten bestehen, ohne umzudrehen.
Achte auf das Wetter

Immernoch hier, halte an nichts fest.
Im Leben so jung, mit ruhiger Atmung.
Sehe mit Neugier, auf meine Mitteilung:

Lauf durch den Fluss, wie ein gejagtes Tier,
nur ein Schuss und du bist nicht mehr hier.