25.09.2009

Der Sprung ins Ungewisse

Der Krake

Schnell waren die vier Boote auf dem Wasser; Ahabs Boot voran, ruderten sie geschwind auf ihre Beute zu. Da tauchte die Erscheinung unter, und mit eingelegten Riemen warteten wir auf ihre Wiederkehr - sieh! an derselben Stelle, an der sie untergesunken war, stieg sie langsam wieder auf. Fast waren alle Gedanken an Moby Dick für diesen Augenblick vergessen; wir staunten stumm das wundersamste Wesen an, das die verschwiegenen Meere je der Menschheit offenbarten.

Eine ungeheure schlüpfrige Masse, wohl an die zweihundert Meter lang und breit, von sahnig weißem Glanz, trieb auf dem Wasser; unzählige lange Arme strahlten von ihrer Mitte aus und schlangen und wanden sich wie ein Knäuel Anakondas, als wollten sie blindlings jedes unselige Geschöpf ergreifen, das sich in ihre Reichweite verirrte. Kein Vorn und Hinten, kein Gesicht war erkennbar, kein faßliches Zeichen von Empfindung oder Instinkt:vor uns auf den Wellen schlängelte sich ein gespenstisch formloses, wesenloses Stück Leben, unergründbar wie der Zufall.

"Moby Dick" - Hermann Melville

21.09.2009

die entzündete Umgebung

"Und jetzt?", fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte bald die Entdeckung, dass er sich nun überhaupt nicht mehr rühren konnte. Er wunderte sich darüber nicht, eher kam es ihm unnatürlich vor, dass er sich bis jetzt tatsächlich mit diesen dünnen Beinchen hatte fortbewegen können. Im Übrigen fühlte er sich verhätnismäßig behaglich. Er hatte zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als würden sie allmählich schwächer und schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz von weichem Staub bedeckt waren, spürte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit Rührung und Liebe zurück. Seine Meinung darüber, dass er verschwinden müsse, war womöglich noch entschiedener als die seiner Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des allgemeinen Hellerwerdens draußen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann sank sein Kopf ohne seinen Willen gänzlich nieder, und aus seinen Nüstern strömte sein letzter Atem schwach hervor.

Franz Kafka - "Die Verwandlung"

19.09.2009

ikea

vor dem ausgang bei ikea stand das ehepaar und rauchte. sie trug nicht einmal eine sonnenbrille. nichts haette das blaugekloppte auge verdecken koennen. ihr mann in muscle shirt trug die taschen. sie durfte sich bestimmt was schoenes aussuchen.

herzbruch

13.09.2009

zum ficken

gerne und gut ficken bedeutet nicht, dass ich es so oft wie möglich will. ich will nur den, der gut riecht. ich will nur den, der auch gut aussieht. ich will nur den, der vor und nach dem sex eine astreine grammatik sein eigen nennt, und während des akts mehr als zwei techniken und mehr als zwei zentimeter. ich will - vorzugsweise - den, der mich liebt, oder aber den, der mich wenigstens achtet und das auch beim sex zum ausdruck bringt.

ich will niemanden ficken, weil es sich gerade anbietet. ich ficke keine gelegenheiten. das habe ich mit 16 getan, als mir das ficken noch wichtiger war als derjenige, mit dem ich fickte und ficken eine schöne art der selbstinszenierung war: wie geil/versaut/verrucht/tabulos/sinnlich bin ich? um sich hinterher dann auf die eigene flanke zu klopfen, um zu sagen: gott, war ich geil.

erschreckend, dass es aber viele leute gibt, die genau das machen. ficken um zu ficken. ficken für die niedere selbstachtung und die unfähigkeit, den anderen zu achten.

c17h19no3

Kind und Buch

»Komm her einmal, du liebes Buch;
Sie sagen immer, du bist so klug.
Mein Vater und Mutter, die wollen gerne,
Daß ich was Gutes von dir lerne;
Drum will ich dich halten an mein Ohr;
Nun sag mir all' deine Sachen vor.

Was ist denn das für ein Eigensinn,
Und siehst du nicht, daß ich eilig bin?
Möchte gern spielen und springen herum,
Und du bleibst immer so stumm und dumm?
Geh, garstiges Buch, du ärgerst mich,
Dort in die Ecke werf' ich dich.«

Wilhelm Hey
Johann Wilhelm Hey (* 26. März 1789 in Leina; † 19. Mai 1854 in Ichtershausen) war ein Pfarrer und Fabeldichter. Berühmt wurde er als Fabeldichter dank seiner im Jahre 1833 anonym erschienenen Fünfzig Fabeln für Kinder und Noch fünfzig Fabeln für Kinder (1837), mit schönen Illustrationen von Otto Speckter.