10.08.2013

Unverandert

Sonnenaufgang.
Die Zeit in der ich zu schlafen pflegte, bevor ich dich kannte, legt schon am frühen morgen einen trüben Schimmer über meinen Tag. Wenn ich traurig bin, denke ich an dich, wie wenn man im Winter an die Sonne denkt und wenn ich fröhlich bin, denke ich an dich, wie wenn man in der prallen Sonne an Schatten denkt. Immernoch bleibt mein Blick aus dem Fenster stehen und stagniert auf einen Punkt. Dann sehe ich sie auf einer Bank liegen, ihren Kopf auf meinem Schoß, im Hintergrund ein großes Haifischbecken, wir die einzigen Besucher im Terrarium und eine unbändige Stille zwischen uns, als ich eine Haarsträhne aus deinem Gesicht fische.
Nach dieser Ruhe sehne ich mich. Oft redeten wir Zeiten nicht miteinander, die ich mehr als genoß. Wann kann man schon miteinander still sein. Manchmal bin ich verhältnismäßig ruhig, aber ich weiß, wenn sie nicht da ist, enthält auch diese Ruhe noch Gift, das stetig an meinem Herz nagt. 
Oft denke ich an dich, was würde sie dazu sagen, unterdrückt sie ein lächeln oder was sagt sie mienenlos. Dies will ich ihr zeigen und wenn ich das tue, soll sie da sein. Überhaupt sollst du überall dabei sein. Es ist nicht so, dass ich etwas kluges erwarte oder vielleicht wäre es gar nicht deine Sache, aber sie gehört dazu. Und wenn sie es nicht miterlebt, dann bleibt es halbherzig. In mir steckt eine unruhige Energie, die sich ausbreiten will zu Ideen, aber sie sehnen sich nach der Muse. Da wo du nicht bist, stehen nur Gedanken umher, wie diese. Schweigend harre ich aus und möchte durch Bitten nicht beunruhigen, denn meine Muse beglückt mich nur freiwillig.
Auch dieser Brief spricht nur das halbe, aber ich habe herausgefunden warum ich das tue. Oft mal ich dich in Gedanken aus, denn es ist so selten, dass eine Frau beides ist - eine Geliebte und eine Gefährtin. Die Geliebten können keinen Kaffee kochen und die Gefährten vernachlässigen dich, wenn sie zum ersten mal dein Bett beziehen und da bin ich sehr froh, dich gefunden zu haben, die beides ist: eine liebe Gefährtin am Tag und - das andere. Jedenfalls der Grund, dass ich schreibe, ist unser Leben zu erzählen, wie es hätte sein können.

Mit einem unendlich langen Kuss in die Beuge zwischen Ober- und Unterarm, wo es ganz weich und warm ist -
Talen

PS:  Ich würde noch heute meinen Anteil am Paradies für weitere sieben wolkenlose Monate mit dir hergeben

01.08.2013

Sie kommen näher, ohne dir in die Augen zu schauen


Wally Herbert schrieb 1968 Geschichte, als er eine nur mit Hundeschlitten ausgerüstete Expedition von Alaska zum Nordpol leitete: er ist der erste Mensch, der den Nordpol unbestritten zu Fuß erreicht hat. Per Fallschirmabwurf wurde er mit Lebensmitteln versorgt, fuhr dann weiter übers Eis bis Spitzbergen und hatte damit als Erster auf einer Strecke von 6115 Kilometern das arktische Packeis überquert. Im Verlauf von 40 Jahren reiste er 37000 Kilometer weit durch die Polargebiete, kartiere 119149 Quadratkilometer unbekannter arktischer Gebiete und lebte mit seiner Frau und seiner jungen Familie mehrere Jahre bei den Inuit auf Grönland. Ein Gebiet in der Antarktis und ein Berg der Arktis tragen seinen Namen.

Eisbären laufen normalerweise auf allen Vieren. Manchmal stellen sie sich auf die Hinterbeine, wenn sie noch ein Stück entfernt sind, um über die Grate aus verpresstem Eis hinüberzuschauen zu können. Sie sind zum Fürchten, aber sie sind auch sehr schön. Wenn sie ein Stück weit weg sind, dann sind es herrliche Tiere, aber wenn sie näher kommen, werden sie ungeheuer bedrohlich. Mit einem völlig furchtlosen Ausdruck auf ihren Gesichtern schlendern sie einfach auf dich zu. Fast beiläufig werfen sie hin und wieder einen Blick über die Schulter und man könnte meinen, sie seien gar nicht sonderlich interessiert. Aber sie laufen weiter in deine Richtung. Sie kommen näher, ohne dir in die Augen zu schauen; wie zufällig verringern sie dabei den Abstand...
Näher will ich einem Eisbären nicht kommen. Wir beschlossen, dass wir von da an alle Eisbären abschießen würden, die näher als sieben Meter herankämen; aber zuerst versuchten wir natürlich immer, sie in die Flucht zu schlafen. Wir versuchten es mit mehreren Methoden. Einmal gingen wir alle vier mit drei Gewehren auf einen Eisbären zu, machten eine Menge Lärm und schrien. Aber er kam weiter auf uns zu. Weil wir auch auf ihn zugingen, verringerte sich er Abstand natürlich nur umso schneller. Es war lächerlich. Wir hätten wirklich eine andere Richtung einschlagen sollen...

Irgendwie fanden wie es schade, einen Eisbären so liegen zu lassen, selbst wenn wir ihn in Notwehr geschossen hatten. Also zerteilten wir ihn pflichtschuldigst als Hundefutter. Es kostete uns etliche Stunden und war für uns vier sehr harte Arbeit. Die Hunde allerdings brachten von da an die vorbeilaufenden Eisbären mit dem Fleisch in Verbindung und gerieten außer Rand und Band, sobald ein Eisbär in Sicht kam. Sie wurden völlig verrückt und waren kaum noch zu bändigen.

Legendäre Expeditionen - Ferbus Flemming/Annabel Merullo