13.03.2012

dein Ding


Zu Hause nahmen wir uns zwei Bier und setzten uns. Ich aufs Sofa, er in den Sessel. Ein paar Kommentare über die Leute, die wir auf der Piazza gesehen hatten, ein bisschen über diesen und jenen Seitensprung, über den sich inzwischen alle das Maul zerissen, dann versank er wieder in Schweigen. Er starrte die Bierflasche an und versuchte, mit dem Fingernagel das Etikett abzukratzen.

Ich fragte ihn, ob etwas nicht stimme. Erst antwortete er, alles sei in Ordnung, aber nach einem Moment der Stille brach es aus ihm heraus, als ob er einen Anfall hätte.
"Was ist unser Ding? Ich weiß immer noch nicht, was mein Ding ist. Ich habe das Gefühl, dass ich hier auf diesem dämlichen Planeten bin, um etwas Beteuendes zu tun, aber ich begreife einfach nicht, was... Weißt du, wie man herausfindet was das eigene Ding ist?... Ich habe das Gefühl als würde ich das Leben wegwerfen. Gestern war ich sechszehn... peng, und heute bin ich achtundzwanzig."
"Was für ein Ding denn?"
"Ach, komm schon... dein Ding, deine Bedeutung, dein Talent, die besondere Fähigkeit, die man ausleben soll. Die Sache, das Ding, das jeder hat und das uns von den anderen unterscheidet, die Ursache für meine Existenz, der Sinn des Lebens, was weiß ich denn..."
"Oh... was haben sie dir denn ins Bier getan? Kriegst du die Thirtysomething-Krise schon mit achtundzwanzig oder was?"
"Ach... ich weiß nicht. Ich hab's dir doch gesagt, ich spüre, dass ich was Richtiges tun muss, vielleicht nicht für die ganze Menschheit, aber für mich, etwas Außergewöhnliches für mein Leben, aber ich weiß einfach noch nicht, was. Ich weiß nur, dass ich es satthabe und dass ich in mir eine Energie verspüre, die rauswill. Aber ich schaffe es nicht, sie freizulassen, und das führt dazu, dass ich mich letztlich nur langweile, egal was ich tue."
Er nahm ein Schluck Bier, fuhr sich mit der Unter- über die Oberlippe wie ein Schnurrbartträger, dann brach es aus ihm heraus:"Schluss Schluss Schluss... ich bin es leid, es muss einen Notausgang aus dieser Art zu leben geben, wir haben mehr verdient, als auf der Piazza abzuhängen und zu saufen. Das geht schon viel zu lange so, wir dürfen nicht den Fehler machen, alles laufenzulassen und uns in einem normalen, vorgegebenen Leben zu verlieren. Ich will diese Energie nutzen, bevor sie verschwindet bevor sie nachlässt, erlischt und ich meinen Arsch nicht mehr hochkriege."

"Einfach losfahren" - Fabio Volo