18.11.2012

weißer Rauch

Midori Kobayashi und ich setzten uns auf eine Parkbank mit Blick auf das Schulgebäude. Die Mauern waren mit Efeu überwachsen und Tauben hockten in den Erkern und ruhten sich aus. Der Kasten hatte Charme. Eine große Eiche stand im Hof und an einer Seite stieg kerzengerade weißer Rauch auf, den das spätsommerliche Licht weich und bauschig erscheinen ließ.
"Weißt du woher der Rauch da kommt?", fragte mich Midori auf einmal.
"Keine Ahnung."
"Da werden Binden verbrannt."
"Aha." Eine bessere Bemerkung fiel mir dazu nicht ein.
"Damenbinden, Tampons und so was," sagte Midori grinsend. "Alle werfen sie in die Behälter in der Toilette. Immerhin ist es ja eine Mädchenschule. Der Hausmeister sammelt sie dann ein und verbrennt sie in der Verbrennungsanlage. Daher kommt der Rauch."
"Wenn man das weiß, sieht er irgendwie unheimlich aus", sagte ich.
"Und wie. Das habe ich auch immer gedacht, wenn ich vom Klassenzimmerfenster aus den Rauch aufsteigen sah. Unheimlich. Auf diese Schule - Mittelstufe und Oberstufe zusammengenommen - gehen fast tausend Mädchen. Natürlich haben ein paar davon noch nicht ihre Periode. Also sagen wir neunhundert und wenn ein Fünftel von den neunhundert gleichzeitig menstruiert, macht das einhundertachtzig Mädchen. Das bedeutet, täglich werfen einhundertachtzig Mädchen ihre Binden in die Behälter."
"Donnerwetter. Auch wenn ich nicht ganz sicher bin, ob diese Zahlen stimmen."
"Auf jeden Fall sind es viele. Hundertachtzig Mädchen! Wie das wohl ist, das ganze Zeug einzusammeln und zu verbennen?"
"Keine Ahnung."[...]
"Hast du nächsten Sonntag Zeit?" fragte Midori.
"Ich hab dir ja schon gesagt, daß ich sonntags immer Zeit habe. Nur ab sechs muß ich arbeiten."
"Wollen wir uns dann nächsten Sonntag treffen?"
"Gut."
"Ich hole dich vormittags im Wohnheim ab, um wieviel Uhr, kann ich aber noch nicht genau sagen. Macht das was?"
"Nein, kein Problem."
"Du, Toru, weißt du was ich jetzt gern machen würde?"
"Keine Ahnung."
"Auf einem großen Bett liegen, sagte Midori. "Mich ganz gemütlich betrinken, du neben mir. Dann würdest du mich ganz langsam ausziehen. Unheimlich zärtlich. Wie eine Mutter ihr kleines Kind, so behutsam."
"Hmm", machte ich.
"Ich fühle mich wohl und ganz entspannt. Doch auf einmal... >Toru, hör auf.Ich hab dich sehr gern, aber ich bin mit jemand anderem zusammen. Ich kann das nicht. Das wäre nicht anständig, also bitte hör auf. Bitte!< Aber du hörst nicht auf."
"Aber ich würde aufhören.", wandte ich ein.
"Weiß ich doch. Aber in meiner Phantasie ist es anders.", erklärte Midori. "Dann zeigst du ihn mir, deinen Ständer. Ich halte mir sofort die Augen zu, aber ich sehe ihn trotzdem ganz kurz. >Hör auf, hör auf, ich will so ein großes, hartes Ding nicht!< rufe ich."
"Er ist gar nicht so groß. Eher Durchschnitt."
"Egal, das hier ist doch Phantasie. Also weiter. Nun machst du ein so niedergeschlagenes Gesicht, daß ich Mitleid bekomme und dich trösten will. >Ist ja gut, du armer Kerl.<"
"Und das würdest du jetzt gern machen?", sagte ich entgeistert.
"Genau."
"Oh, Mann."

Naokos Lächeln - Haruki Murakami