01.01.2013

Sicher war ich bei Frauen nie


Ich hasse Abschiede

Ich hatte nicht damit gerechnet, Ivy nochmals zu sehen und schon gar nicht in dieser Wohnung, die sie "unsere" Wohnung nennt.
Kann sein, ich duschte endlos -
Unser Krach beginnt, als Ivy mit einem Frottiertuch kommt, ich werfe sie hinaus - mit Gewalt leider, denn sie liebt Gewalt, dann hat sie das Recht, mich zu beißen -
Zum Glück klingelte das Telefon!
Nach meiner Verabredung mit Dick, der zu meiner Notlandung gratuliert, Verabredung zu einem Schach, findet Ivy, ich sei ein Rohling, ein Egoist, ein Unmensch, ich habe überhaupt keine Gefühle -
Ich lachte natürlich.
Sie schlägt mit beiden Fäusten, schluchzend, aber ich hüte mich, Gewalt zu brauchen, denn das möchte sie.
Mag sein, dass Ivy mich liebte.
(Sicher war ich bei Frauen nie.)
Eine Viertelstunde später, als ich Dick anrief und mitteilte, dass ich leider doch nicht kommen könnte, hatte Dick unser Schach schon aufgestellt; ich entschuldigte mich, was peinlich war, ich konnte ja nicht sagen, warum und wieso, sagte nur, dass ich wirklich viel lieber Schach spielen würde -
Ivy schluchzte von neuem. [...]
Ich bat sie, sich anzukleiden.
Als sie an mir vorbeiging, um Wasser für den Kaffee aufzusetzen, gab sie mir einen Nasenstüber. Wie einem Hanswurst. Ob ich ins Kino wollte, fragte sie aus der Küchennische herüber, als wäre sie bereit, sofort zu kommen - in Strümpfen und Morgenrock.
Jetzt spielte sie Katz und Maus.
Ich beherrschte mich und sagte kein Wort, sammelte ihre Schuhe, ihre Wäsche, ihr Drum und Dran (ich vertrage den Anblick solcher Rosa-Sachen sowieso nicht) und warf es ins Nebenzimmer, damit Ivy noch einmal ihre endlose Toilette machen konnte.
Ja, ich wollte ins Kino.
Der Kaffee tat gut -
Mein Entschluß, diese Wohnung aufzugeben, war jetzt unerschütterlich, und ich sagte es auch.
Ivy widersprach nicht.
Ich hatte das Bedürfnis mich zu rasieren, nicht weil ich's nötig hatte, sondern einfach so. Um nicht auf Ivy zu warten. Aber mein Apparat war kaputt; ich ging von Steckdose zu Steckdose - er summte nicht.
Ivy fand mich tiptop.
Aber darum ging es ja nicht!
Ivy in Mantel und Hut.
Natürlich war ich tiptop, ganz abgesehen davon, dass ich im Badezimmer noch einen andern Apparat hatte, einen älteren, der ging, aber darum ging es nicht, wie gesagt, ich hatte mich gesetzt, um den Apparat auseinanderzunehmen. Jeder Apparat kann einmal versagen; es macht mich nur nervös, solange ich nicht weiß, warum.
"Walter", sagte sie, "I'm waiting."
Als hätte unsereiner noch nie gewartet!
"Technology!" sagte sie - nicht nur verständnislos, wie ich's von Frauen gewohnt bin, sondern geradezu spöttisch, was mich nicht hinderte, das Apparätchen volkommen zu zerlegen; ich wollte wissen, was los ist.

"Homo Faber" - Max Frisch

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