02.01.2012

du bist, was du hast


Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe und dann verliere, was ich habe? Nichts als ein besiegter, gebrochener, erbarmenswerter Mensch, Zeugnis einer falschen Lebensweise. Weil ich verlieren kann, was ich habe, mache ich mir natürlich ständig Sorgen, dass ich verlieren werde, was ich habe. Ich fürchte mich vor Dieben, vor Krankheit, vor dem Tod und ich habe Angst zu lieben, Angst vor Freiheit, vor dem Wachsen, vor der Veränderung, vor dem Unbekannten. So lebe ich in ständiger Sorge und leide an chronischer Hypochondrie, nicht nur in bezug auf Krankheiten, sondern hinsichtlich jeglichen Verlusts, der mich treffen könnte; ich werde defensiv, hart, mißtrauisch, einsam von dem Bedürfnis getrieben, mehr zu haben.

Ein weiterer ermutigender Aspekt ist die wachsende Unzufriedenheit mit unserer gegenwärtigen Gesellschaftsordnung. Eine zunehmende Zahl von Menschen empfindet die "malaise du siecle" aller Verdrängungsversuche. Sie fühlen die Öde ihrer Isolation und die Leere ihres Zusammenseins; sie empfinden ihre Ohnmacht, die Sinnlosigkeit ihres Lebens. Viele spüren das sehr klar und bewußt; andere weniger deutlich, aber sie werden gewahr, wenn jemand anderer es in Worte faßt.

Haben oder Sein - Erich Fromm

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