[...]
Eißpin war jetzt ganz nahe an den Käfig herangetreten. »Wenn sie dich sticht« ,sagte er »oder besser, dich binnen einer Sekunde hundertfach perforiert mit ihren Haarspitzen, dann bist du rettungslos des Todes. Es gibt kein Gegengift, weil sie die Zusammensetzung ihres Giftes täglich verändert. Und was dieses Gift mit deinem Körper anstellt, das ist beispiellos in der Welt der toxischen Substanzen. Der Tod durch die Schneeweiße Witwe ist der schönste und der schrecklichste zugleich, größte Qual und höchstes Entzücken. Der Körper schüttet Unmengen von Glückshormonen aus, um der Qual etwas entgegenzusetzen, und das versetzt dich in eine Agonie des Glücks, in eine Ekstase des Schmerzes, die keinem Lebewesen zu wünschen ist. Deine Haare werden dabei so schlohweiß, wie die ihren. Und dann, wenn dein Herz sich endlich vor Pein zerrissen hat, zerfällt dein Körper zu weißem Puder.«
»Man sagt, die Schneeweiße Witwe komme von dem Planeten, auf dem der Tod selbst wohnt« ,flüstete Eißpin. »Und dass der Tod sie erschaffen habe, um zu erfahren, wie es ist, sich vor etwas zu fürchten. Das ist natürlich Unfug! Der Tod wohnt in uns allen und sonst nirgends. Aber eines ist unbestritten: Sie ist die Königin der Furcht.
"Der Schrecksenmeister" - Walter Moers
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