»Hey,
was liest du?« Als ich nach vorne sah wusste ich, dass ich nie müde sein werde
sie je anzusehen.
»Hey,
Krieg und Frieden, wenn dir das was sagt.«, antwortete ich und sah ein wages Lächeln durch den leichtroten Lipgloss. Ihr Hals und ihre Brüste waren durch
einen riesigen braunen Schal verdeckt und ein grün-blaues Blumenhemd, dass sie
über einem weißen Top trug, guckte unter dem beigefarbenen Mantel hervor. Was
heller schien, ob es die untergehende Sonne war, die ihre Strahlen quer durch
den Park warf, oder die rote Mähne von Vera, die ihre blauen Augen umwarben und
sich auf ihre Schultern niederlegte, konnte ich in dem Moment nicht sagen.
»Was
machst du so spät noch hier, ich hätte dich eher erwartet?«, fragte ich
neugierig und legte das Lesezeichen in das Buch.
»Ich
war noch in der Bibliothek und musste was für die Uni machen, aber ich habe
nicht erwartet, dass du hier her kommst.«, sagte sie und begann sich eine
Zigaretten anzuzünden. Ich stand auf und folgte ihr in die Richtung der kleinen
Brücke.
»Wie
lange sitzt du dort schon?«, fragte sie, ohne mich dabei anzusehen.
»Fünf
Tage in etwa, aber manchmal bin ich auch durch den Park gelaufen.«, antwortete
ich und musste ihrem skeptischen Blick aus dem Seitenwinkel standhalten, den
sie mir beim herauspusten des Zigarettenrauchs zuwarf.
»Was,
fünf Tage? Du spinnst ja, warum schreibst du mich nicht einfach an?«, fragte
sie mit drängender Stimme und blickt wieder nach vorne.
»Du
stellst dir das so einfach vor.«, sagte ich beschwichtigend, als wir den
kleinen Hang zur Brücke hinaufgingen. Die Luft wurde kühler, wodurch der Rauch
vor meinen Augen scharfe Konturen entwickelte.
»Und
fünf Tage dort sitzen ist einfacher oder wie.« fragte sie in einem
sarkastischen aber mildem Ton und stoppte auf dem Höhepunkt der Brücke, sah
mich kurz an und nahm einen weiteren Zug von ihrer Zigaretten mit einem
schweifenden Blick in den Sonnenuntergang. Ich tat ihr gleich und lehnte mich
auf die steinere Brüstung der Brücke mit dem Rücken zu ihr.
»Warum
bist du hier?«, fragte sie, als der ihr Zigarettenrauch mich von hinten
umhüllte.
»Weißt
du noch, als du sagtest wie schön der Sonnenuntergang sei und ich sagte, das
käme wegen dem Dreck. Ich weiß nun warum du gelacht hast.«, sagte ich und wie
eine Antwort umhüllte mich abermals ihr ausgeatmeter Zigarettenduft.
Als
ich mich umgedreht hatte, strömte mir ihr rotes Haar entgegen, sie hielt ihren
linken Arm mit der Zigarette auf dem rechten gestützt und sah mich mit
zusammengekniffenen Augen an, als ich auf sie zu ging. »Dass du dich an sowas
noch erinnerst.«, antwortete sie.
»An
jede Einzelheit erinnere ich mich.«, begegente ich mit einem wachen Blick in
ihre ausdruckblauen Augen, die sich plötzlich von ihrem zusammengekniffenen
Zustand lösten und sich zunehmend öffneten, ungeachtet der blendenen Sonne in
meinem Rücken.
Als
ich vor ihr stand, holte ich das Messer raus, dass ich zuvor gekauft hatte. Es
war so wenig stumpf wie jedes Eheleben, denn als ich es durch meine Hand
gleiten ließ, malte das kalte Metall eine Kerbe in die Epidermis, doch verletze
sie nicht. Eine kleine Druckstelle blieb und verschwand in wenigen Sekunden. Ich
zeigte ihr, wie die Klinge sich an meine Hand schmiegt. Sie sah gebannt auf
meine Hand und wirkte wie erstarrt.
»Vertraust
du mir.«
Ihr
Gesicht ziemte sich jedem Mienenspiel, einzig den letzten angehaltenen Zigarettenhauch
atmete sie schließlich in gespannter Erwartung aus.
»Schließ
die Augen.«, befahl ich.
Ich
griff nach der Hand mit der Zigarette, die sie am Mund hielt, streckte sie aus
und drehte die Handinnenfläche nach oben, wobei sie zwischen Zeige- und
Mittelfinger die Zigarette hielt. Ich öffnete die einzelnen Finger mit größter
Sorgfalt.
»Ich
will, dass du dich konzentrierst. Dein ganzes Gefühl liegt in dieser Hand. Du
spürst die eiskalte Luft, die deine Finger zerreißt. Du spürst meine Hand, dich
wärmend.«, sagte ich, während ich ihre Hand von unten hielt.
Mit
der anderen setzte ich die Klinge sanft an ihrem Handgelenk an und ließ sie
über die Handinnenfläche gleiten.
Ihr
lipglossumzogener Mund öffnete sich leicht und ihr warmer Atem entrann aus der
zitternden Unterlippe, die nicht unterscheiden konnte, ob es die Angst oder Kälte war, die es veranlasste sich willkürlich zu bewegen.
»Das
was du jetzt spürst bin ich. Der Schmerz der durch dich zieht.« Die Klinge nahm
ihren Lauf, wanderte über ihren Mittelfinger zu ihrer Fingerspitze.
»Ich
werde immer zu dir stehen und dich.. unaufhörlich lieben«
Die
Spitze der Klinge glitt von ihrer Fingerspitze und sie ließ die Zigarette zu
Boden fallen. Ich küsste ihre Handinnenfläche, als sie wieder die Augen öffnete,
die mich starr ansahen und noch immer hielt ich ihre Hand und spürte an meinen
Fingern an ihrem Handgelenk den schnellen Puls, während ich die Klinge mit der
anderen Hand einfuhr und ihr ein warmes Lächeln zuwarf. Während der eiskalte
Wind behaglich an meinen Fingern nagte, vergingen einige Sekunden Stille, bis
sie sich mir näherte und mir ihre nach Erdbeer schmeckenden Lippen auf den Mund
drückte.
»Lass
uns gehen.«, flüstere sie schließlich mit dem selben wachen Blick, den ich
zuvor hatte.
Sie
wohnte nicht weit vom Park, vielleicht
ein zehnminütiger Fußmarsch, den wir wortlos hinter uns ließen. Immer ging ich
hinter ihr, um den wagen Duft ihrer Weiblichkeit und das dezente Parfüm zu
spüren und manchmal drehte sie sich um und einmal, kurz vor ihrer Haustüre,
lehnte sich der Wind frech wie ein Freier dicht an ihre Wange, presste ihren
beigefarbenen Mantel an ihre Beine, sodass ihr Haar flog, doch sie lachte ihn
nur frech aus während der Drehung und warf mir einen flüchtigen Blick zu. Da
fragte ich mich ernsthaft, wenn nichtmal der Wind ihr etwas anhaben konnte, wie
konnte ich mir anmaßen auf sie zu bestehen. "Verling" - Talen D